Sitzenbleiben ist eine Schande, oder?
Diskussionen um das Sitzenbleiben verlaufen immer noch äußerst kontrovers. Obwohl es inzwischen einige Bundesländer gibt, in denen das Sitzenbleiben bis zur 10. Klasse nur im Ausnahmefall möglich ist, gibt es daneben auch die andere Seite. Vor allen Dingen verteidigen konservative Politiker diese Form der Auslese, wohingegen Linke und SPD sich dagegen aussprechen.
In der Bevölkerung ist das Sitzenbleiben noch weitgehend akzeptiert. Bei Befragungen stellt sich immer wieder heraus, dass die Mehrheit nicht möchte, dass schwache Schüler einfach so “mitgeschleppt” werden.
Wenn die Versetzung gefährdet ist, geht bei Eltern und Kindern die Angst um. Pädagogen und Bildungsforscher finden in Untersuchungen immer wieder heraus, dass das Sitzenbleiben kaum positive Wirkung zeigt. Die Wiederholung einer Klasse wird demotivierend und geht mit einem schmerzlichen Verlust des Freundeskreises und des sozialen Umfeldes einher. Die so bestraften Schülerinnen und Schüler fallen in ein tiefes Loch und brauchen lange, bis sie in ihrer neuen Klasse ankommen. Für das Lernen ist das kontraproduktiv.
Corona beeinflusst auch die Versetzung
In den meisten Bundesländern wird es in 2020 kein Sitzenbleiben geben. Durch den langen Unterrichtsausfall gibt es nicht genug belastbare Noten, um eine Nichtversetzung zu gerechtfertigen. Allerdings können Schülerinnen und Schüler auf Antrag und mit einem Beratungsgespräch der Lehrkräfte freiwillig wiederholen. Wenn die Noten schon im Halbjahr sehr schlecht waren und der Anschluss an den Leistungsstand der Klasse schwierig ist, geben Schulen dem Antrag statt.
Was hilft Schülerinnen und Schülern mit Leistungsproblemen?
Generell ist klar, dass Schülerinnen und Schüler mit schlechten Noten Hilfe benötigen. Dieses kann eine Vereinfachung des Lernstoffes, also die Wiederholung eines Schuljahres, sein. Ebenso effektiv wäre aber auch eine intensive Förderung und eine Differenzierung des Lernstoff im Unterricht. Gezielter Einzelunterricht, auch per E-Learning oder durch Lernvideos kann ebenfalls sehr hilfreich sein.
Diese zweite, individuelle Lösung erfordert jedoch einen höheren Personalaufwand, in vielen Schulen ist das nicht umsetzbar. Häufig wird lieber auf die Variante “Versetzung gefährdet” zurückgegriffen, auch wenn die Zahlen seit Jahren rückläufig sind.
Kommt immer ein Blauer Brief, wenn die Versetzung gefährdet ist?
Dass ein schulisches Weiterkommen gebremst ist, erfährt man als Schüler offiziell durch den Hinweis “Versetzung gefährdet” im Halbjahreszeugnis oder durch die individuelle schriftliche Benachrichtigung (so genannter “blauer” Brief) kurz vor Torschluss.
Blaue Briefe sind in Deutschland, wie das gesamte Schulrecht, durch die Bundesländer geregelt. In Hessen hat eine Benachrichtigung beispielsweise unabhängig von einem Vermerk im Halbjahreszeugnis spätestens acht Wochen vor dem Ausgabetermin des Jahreszeugnisses zu erfolgen (Verordn. Schulverh. § 16 (2)).
Hier ist der Blaue Brief notwendig, um wirklich sitzen bleiben zu können. In Bayern sieht es anders aus, da kann ein Kind auch ohne vorherige Warnung sitzen bleiben. Im Einzelfall sollten Eltern immer direkt bei der Schule nachfragen oder im Schulgesetz des Bundeslandes nachlesen. Rechtlich stellt die nicht Versetzung übrigens einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar.
Versetzung gefährdet, freiwillig zurück?
Grundsätzlich hat jeder Schüler die Möglichkeit einen Antrag auf Rückstellung zu stellen, so kann er freiwillig die Klasse wiederholen. Er kann auch, spätestens nach dem Erhalt des Zwischenzeugnisses in den Jahrgangsstufen 6 bis 11, freiwillig in die frühere Jahrgangsstufe zurückgehen.
Das gilt dann nicht als Sitzenbleiben. Aber Achtung: In den meisten Bundesländern kann man nicht beliebig oft zurücktreten, sondern jeweils nur einmal in der Grundschule, der Mittel- und der Oberstufe. Die Schule entscheidet, ob sie dem Antrag stattgibt. Wichtig dafür ist die Frage, ob der Schüler von der Rückstufung profitieren würde.
Sitzenbleiben an den Privatschulen
In allen Privatschulen gibt es individuelle Regelungen über das Sitzenbleiben und die Versetzung. Auch die Notengebung wird hier häufig anders gehandhabt als in den öffentlich-rechtlichen Schulen. In vielen Privatschulen können die Schülerinnen und Schüler gar nicht sitzen bleiben, sondern durchlaufen die Schule im Klassenverband bis zum Abschluss.
Dort findet allerdings eine Prüfung statt, die dann nicht alle bestehen. So wird der allgemeinen Schulpflicht genüge getan, manchmal ohne dass die Schüler einen verwertbaren Abschluss erhalten.